Kühl-frisch, kastanienbraun und ein wenig sehnsüchtig: Im Herbst kommen drei elementare Teile des typischen München-Gefühls zusammen.
Man kann objektiv feststellen, dass der Herbst zwar überall schön, in München aber am schönsten ist. Wo sonst gibt es schließlich jedes Jahr ein derart ausuferndes Volksfest, das allein dem Oktober gewidmet ist? Welche Stadt kann so eine international beachtete Verneigung vor dieser Jahreszeit bieten? Auch wenn es auf der Wiesn selbst meistens wenig melancholisch zugeht, es liegt in dieser Zeit eben nicht nur ein Zeppelin, sondern auch eine ganz besondere, sehnsüchtige Stimmung über der Stadt.
Alle, egal ob Wiesn-Fans oder nicht, kennen diese herrlichen Tage Ende September, in denen ein stabiles Hochdruckgebiet tagelang den Himmel über der Theatinerkirche sehr weit und endlos blau hält. Keine Farbe passt besser zum Gelb der Wittelsbacher als der Herbsthimmel!
Kühl-frisch riecht es an diesen Tagen morgens, nach dem ersten Schnee in den Bergen und den Blättern, die über Nacht gefallen sind. Mittags wird es warm genug, um noch mal die Füße in die Isar auszustrecken, und am frühen Abend klaubt man auf dem Heimweg in der Dämmerung noch ein paar Kastanien auf, einfach so. Weil es bekanntlich glücklich macht, eine frische Kastanie in der Manteltasche herumzutragen.
Überhaupt, Kastanien – sie gehören zu dieser Stadt eben nicht nur als Biergartendekoration. Es kann doch kein Zufall sein, dass sie exakt die gleiche Farbe haben wie eine große Breze auf der Wiesn.
Überhaupt, Kastanien – sie gehören zu dieser Stadt eben nicht nur als Biergartendekoration. Es kann doch kein Zufall sein, dass sie exakt die gleiche Farbe haben wie eine große Breze auf der Wiesn und wie die glatt polierten Sitze der alten Münchner Straßenbahnen, die gelegentlich noch um die Ecke bimmeln. Drei absolut elementare Bestandteile des München-Gefühls also, die so im Herbst zusammenkommen.
Der lange und meistens auffallend schöne Herbst ist aber auch ein guter Service für jene nicht gerade kleine Gruppe der Einheimischen, die zwar schon das ganze Jahr sagen „In die Berge!“, aber es irgendwie – zefix! – doch noch nicht geschafft haben. Erst war „noch zu viel Schnee“, was dann nahtlos in „viel zu heiß zum Wandern“ überging. Aber im September und Oktober gibt’s keine Ausreden, im Gegenteil – jetzt ist der große Spielplatz zwischen Chiemsee und Zugspitze besonders schön.
Wenn zum Oktoberende hin dann die Kirchweihdult auf dem Mariahilfplatz abgebaut wird, die Brunnen der Stadt ihr Holzkleid verpasst bekommen und die weiß-blaue Flotte vom Starnberger See im Hafen vor Anker geht, dann beginnt die zweite Hälfte des Herbstes.
Es vergeht deshalb auch kein Tag, an dem man nicht von allen Seiten mit Fotos vom leuchtenden Ahornboden und von Straßenrandkürbissen bombardiert wird. Warum nur, denkt man dann insgeheim, macht man trotzdem immer den Fehler, seinen Sommerurlaub schon im August zu verbraten und nicht in diesen goldenen Oktobertagen? Nächstes Jahr bestimmt!
Wenn zur Oktobermitte hin dann die Kirchweihdult auf dem Mariahilfplatz abgebaut wird, die Brunnen der Stadt ihr Holzkleid verpasst bekommen und die weiß-blaue Flotte vom Starnberger See im Hafen vor Anker geht, dann beginnt die zweite Hälfte des Herbstes. Auch die hat ihre Vorzüge, denn jetzt wird es kurz mal ganz ruhig in der Stadt. Weniger Gäste, weniger Cabriofahrer, die großen Spielwiesen werden jetzt wieder zu Parks und die Isar wird wieder zu einem stillen Alpenfluss.
Und wenn man jetzt spätnachmittags über den heimelig beleuchteten Viktualienmarkt schlendert, um zu sehen, ob es noch Steinpilze gibt, dann kann es passieren, dass man links vom Karl-Valentin-Brunnen in eine kleine Nebelwand gerät. Und wenn man auf der anderen Seite wieder herauskommt, ist plötzlich der Winter eingekehrt.